Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut: Die Überzeugung, dass Wirtschaftswachstum Wohlstand schafft, der allen in gleicher Weise zugutekommt, ist weit verbreitet. Die Alternativlosigkeit der wachstumsbasierten Wirtschaft wird damit begründet, dass Wirtschaftswachstum zur Schaffung von Arbeitsplätzen und damit zur Sicherung des Wohlstandes notwendig sei. In dieser Sichtweise wird Wohlstand verengt als Wohlstand an Waren definiert und nur Erwerbsarbeit als wohlstandsfördernd betrachtet. Die überwiegend von Frauen geleistete Sorge-, Subsistenz- und Reproduktionsarbeit wird hingegen als „unwirtschaftlich“ abgetan und bleibt unsichtbar. Hausarbeit, die private Betreuung von Kindern, kranken und alten Menschen oder ehrenamtliche Tätigkeit gehen nicht in die wirtschaftliche Gesamtrechnung ein, obwohl sie zum Wohlstand einer Gesellschaft entscheidend beitragen. Eine höhere Wirtschaftsleistung alleine ist also nicht gleichbedeutend mit mehr Lebensqualität.
In der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise wächst die Ungleichheit von Vermögen und Einkommen. Das Wohlstandsversprechen kann immer weniger eingehalten werden. Insbesondere Frauen machen die Erfahrung, dass sie am materiellen Wohlstand weniger teilhaben und dass Globalisierung und neoliberales Wachstumsmodell keineswegs soziale Sicherheit und Beseitigung der Armut bedeuten.
Planetarische Grenzen des Wachstums
Ein fortwährendes exponentielles Wachstum ist schon allein aufgrund der ökologischen Grenzen des Planeten nicht möglich. Neben der Verknappung von Ressourcen wie Wasser oder Lebensmittel geht die Verfügbarkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle ihrem Ende zu. Die Erderwärmung und die Veränderungen des Ökosystems machen Naturkatastrophen, Hungersnöte und politische Konflikte in Zukunft wahrscheinlicher.
Wenn der Trend und das Tempo anhalten, wird die Weltwirtschaft im Jahr 2100 achtzigmal größer sein als 1950, was angesichts des hohen Ressourcenverbrauchs und der steigenden Umweltkosten alles andere als wünschenswert ist.
Wirtschaft FAIRändern – solidarisch leben
Wachstum ist nicht nachhaltig und verstärkt die soziale Ungleichheit – andererseits wird eine schrumpfende Wirtschaftsleistung stets als Krise erlebt, die einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und Wohlstandseinbußen vor allem für die unteren Schichten nach sich zieht. Frauen sind davon überdurchschnittlich negativ betroffen, weil sie Kürzungen öffentlicher Dienstleistungen und die Einkommensverluste mit unbezahlter Mehrarbeit ausgleichen.
Es braucht daher einen sozial-ökologischen Wandel hin zu einer nachhaltigen und lebenswerten solidarischen Gesellschaft. Die staatliche Politik muss sich dahingehend verändern, dass eine solidarische Wirtschaftsordnung möglich ist.
Projekte solidarischer Ökonomie, welche sich von der herrschenden Kapitallogik loszulösen versuchen und auf Kooperation, Freiwilligkeit und Nutzen statt Gewinnorientierung beruhen, existieren bereits in verschiedenen Ländern und Regionen in unterschiedlichster Form – die Palette reicht von selbstverwalteten Betrieben über alternative Finanzierungseinrichtungen bis hin zu Energiegenossenschaften oder gemeinschaftlichen Wohnprojekten.
Wirtschaft FAIRändern – geschlechtergerecht budgetieren
„FAIRänderung“ braucht es auch bei der Gestaltung öffentlicher Budgets, die als zentrales wirtschaftspolitisches Instrument die Verteilung von Gütern und Chancen bestimmen und gesellschaftliche Macht- und Eigentumsverhältnisse maßgeblich beeinflussen. So haben sie auch Auswirkungen auf die Beteiligungung der Geschlechter, denn: budgetäre Entscheidungen sind nicht geschlechtsneutral. 1995 hat die „Beijing Platform for Action“ der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking empfohlen, die Geschlechterperspektive bei Entscheidungen über Staatshaushalte zu berücksichtigen – und damit weltweit Initiativen für die Durchsetzung eines „Gender-Budgetings“ losgetreten bzw. vorangetrieben. Geschlechtergerechte öffentliche Budgets tragen dazu bei, die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen zu verringern, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu stärken, Armut zu vermeiden, die Teilhabe von Frauen an Politik und öffentlichem Leben zu stärken, die Lohnschere zwischen Männern und Frauen zu schließen, Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen sowie nachhaltig die Lebensqualität für alle zu heben.