Benefizsuppenessen als politische Botschaft: Ungleichheit gefährdet den Frieden
[Wien, 8.3.2017, PA] Außergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit seitens Medien, Politik und Kirche fand das diesjährige Benefizsuppenessen der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, das am 7. März mit kfbö-Projektpartnerinnen aus Nepal, dem „Dach der Welt“, am Dachboden des Stephansdoms, dem „Dach von Wien“, ausgetragen wurde. „Das Benefizsuppenessen der Katholischen Frauenbewegung ist eine politische message“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Festrede: „Der Ungleichverteilung des Wohlstands, der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich gilt es entgegenzuwirken, weil sonst der Frieden gefährdet ist“. Van der Bellen knüpfte damit an den gegenwärtigen Themenschwerpunkt der Aktion Familienfasttag „Friedensaktiv. Frauen für eine gerechte Welt“ an, im Zuge dessen heuer Vertreterinnen des von der kfbö mitgetragenen Projekts NMBS, Nepal Mahila Bishwasi Sangh, zu Gast in Österreich sind. NMBS engagiert sich für den Zugang von Frauen zu Rechten, Bildung und Gesundheit in einer Gesellschaft, die von den Folgen eines Bürgerkriegs in den Jahren 1996 bis 2006 sowie eines Erdbebens im Jahr 2015 geprägt ist. „Frieden meint über die Abwesenheit von Krieg hinaus vor allem eines: soziale Gerechtigkeit“, so die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Veronika Pernsteiner, beim Festakt. Ihr Dank galt insbesondere der Erzdiözese Wien mit Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, der als Gastgeber der heurigen Benefizveranstaltung gemeinsam mit Generalvikar und Domkapitular Nikolaus Krasa die rund 250 Festgäste, darunter zahlreiche prominente VertreterInnen aus Politik und Kirche, begrüßte. Schönborn unterstrich die Symbolkraft des Stephansdoms und bedankte sich seinerseits: „Der Wiederaufbau des Doms nach dem Zweiten Weltkrieg wäre nicht möglich gewesen, ohne das Zutun der Frauen, der Trümmerfrauen, und der Geist mutiger engagierter Frauen bewegt auch heute die Katholische Frauenbewegung “.
„Die Politik braucht BündnispartnerInnen wie die Katholische Frauenbewegung“, erklärte Bundespräsident Van der Bellen und verwies auf das Engagement der Aktion Familienfasttag in mehr als 100 Frauen-Projekten in Afrika, Asien und Lateinamerika. Denn Einsatz für soziale Gerechtigkeit sei die Voraussetzung dafür, dass Frieden gedeihe. Dabei gelte es, „die Perspektiven und die Kraft von Frauen“ auch „in die politischen Entscheidungsstrukturen einzubeziehen“, so der Bundespräsident. Gegenwärtig werde die Mitwirkung von Frauen bei der Schaffung und Erhaltung von Frieden weitgehend auf die zivilgesellschaftliche Ebene beschränkt, auch in Europa sei man auf Ebene der Politik und darüber hinaus „meilenweit entfernt von den Zielen der Gleichberechtigung“.
Entsolidarisierung gefährdet auch Frieden in Europa
Das „Friedensprojekt EU“ würdigte Bundespräsident Van der Bellen als eines der „beeindruckendsten Experimente der Welt“ in Sachen Schaffung und Erhaltung von Frieden. Allerdings sei das Projekt „nicht gesichert“: „Nationalistische Bewegungen, die die Bedeutung des Nationalstaats über die eines gemeinsamen Europas stellen, führen zu Entsolidarisierung, die Frieden und Wohlstand gefährdet“. Was Europa brauche, sei eine Fortführung des Friedensprojekts in Solidarität.
Appell des Bundespräsidenten an Regierung, Ausgaben für EZA aufzustocken
Die österreichische Regierung forderte Van der Bellen auf, NGOs wie die Katholische Frauenbewegung beim Einsatz für eine weltweit gerechte Verteilung zu unterstützen: „Österreichs ist eines der reichsten Länder der Welt, und dennoch bleibt es seit Jahren hinter dem selbst gesteckten Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen, zurück.“ Derzeit liegen die Ausgaben des österreichischen Staates für EZA-Belange bei lediglich 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens. „Es genügt nicht, dass sich Organisationen wie die Katholische Frauenbewegung um derlei Angelegenheiten kümmern, der Staat muss sein Scherflein dazu beitragen“, so der Bundespräsident.
NMBS: Eine Stimme für die Frauen
NMBS profitiert seit 2010 vom entwicklungspolitischen Engagement der Katholischen Frauenbewegung Österreichs: „Wir haben in den vergangenen sieben Jahren 500 Frauen und Mädchen mit Alphabetisierungs- und Weiterbildungskursen, mit Gesundheitsdienstleistungen und Bewusstseinsarbeit unterstützen können, 200 davon haben inzwischen eine Anstellung gefunden oder sich beruflich selbständig gemacht“, berichtete die Leiterin von NMBS, Draupati Rokaya, im Interview mit ORF-Journalistin Birgit Pointner, die durch den Abend im Dom führte. NMBS „erhebt die Stimme für die Frauen“, so Rokayas Kollegin Jyoti Shrestha, Sozialarbeiterin und Mitbegründerin der Fraueninitiative: „Die Ausbildung von Frauen ist wichtig für das Land im Gesamten, es verbessert sich dadurch die Situation im ganzen Land.“ Noch sei unsicher, ob der Frieden in Nepal von Dauer ist, die Umsetzung dessen, was mit der neuen Verfassung von 2015 festgelegt wurde, sei noch nicht weit gediehen. Großer Wunsch der beiden Frauen: ein eigenes Stück Land, um der Initiative einen Standort zu sichern.
Ehrenamtliche und Spender*innen in Österreich an der Seite der Frauen in Nepal
Zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg kämpften Frauen, die vielfach vom Land in die Slums der Städte geflüchtet sind, um das Notwendigste im Alltag, erklärte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner die aktuelle Situation in Nepal. Häufig seien sie abgedrängt in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, häuslicher und sexueller Gewalt ausgesetzt, behindert beim Zugang zu Bildung, zu gesellschaftlicher, politischer Teilhabe, auch im Zuge des Friedensprozesses. „Die Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung, konkret Tausende ehrenamtliche Engagierte, Spenderinnen und Spender, stellen sich an die Seite dieser Frauen in Nepal“, so Pernsteiner. Solidarität zeigten sie, indem sie finanzielle Ressourcen teilten, aber auch das Bewusstsein hinsichtlich Fragen der sozialen Gerechtigkeit, etwa indem sie ihren Lebensstil hierzulande in einen globalen Kontext setzten und entsprechend gestalteten, mit ihrem Einsatz für soziale Gerechtigkeit auf diese Weise ein Stück Friedensarbeiten mittragen würden.
Verbundenheit stärkt Tatkraft im Einsatz gegen „Aufrüstung“ des öffentlichen und politischen Diskurses
Die Verbundenheit der Katholischen Frauenbewegung Österreichs mit ihren Projektpartnerinnen in Nepal stärke auch hierzulande Bewusstsein und Tatkraft im Einsatz für eine Frieden erhaltende Politik, so Pernsteiner, gegen eine „Aufrüstung“ der Sprache im politischen und öffentlichen, insbesondere medialen Diskurs, gegen die erst kürzlich die Präsidien der deutschsprachigen katholischen Frauenorganisationen öffentlich aufgetreten seien, für die Bewahrung und Stabilisierung der Europäischen Gemeinschaft sowie „für ein Bewusstsein von der großen integrativen Kraft dieses Europas, vor allem angesichts jener Menschen, die vor Krieg und kriegerischen Konflikten auf der Flucht sind“.
Für ein gutes Leben für alle in Frieden und Gerechtigkeit: „Christlich geht anders“
Frieden und Gerechtigkeit seien ein untrennbar miteinander verbunden und bildeten das christliche Selbstverständnis ab, so Veronika Pernsteiner. Das von Jesus verheißene Reich Gottes stehe letztlich für einen „alternativen Gesellschaftsentwurf, der sich dort verwirklicht, wo ein guten Leben für alle in Frieden und Gerechtigkeit“ möglich sei. Das habe auch die von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs mit getragene Initiative „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ in einem kürzlich der Öffentlichkeit vorgelegten Positionspapier festgehalten. Die Initiative entstand im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Reaktion auf die Angriffe auf Sozialstaat und soziale Standards durch erstarkende populistische Kräfte aus dem rechts orientierten politischen Spektrum. „Eine Initiative“, so Pernsteiner, „die in unsere Gesellschaft hinein zu buchstabieren versucht, wie aus einem christlichen Selbstverständnis heraus konkretes politisches Handeln auszuschauen hätte – und sich im Ergebnis mit AkteurInnen unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Bewegungen trifft und verbündet.“
Zahlreiche VertreterInnen aus Politik und Kirche
Neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Ehefrau Doris Schmidauer waren der Einladung von Katholischer Frauenbewegung Österreichs und Kardinal Christoph Schönborn sowie Generalvikar Nikolaus Krasa in den Stephansdom zahlreiche weitere VertreterInnen aus Politik und Kirche gefolgt, so Gesundheitsminister Alois Stöger, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Familienministerin Sophie Karmasin, die Ehefrau von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, Margit Fischer, Militärbischof Werner Freistetter, Weihbischof StephansTurnovszky, Nuntiaturrat George Panamthundil, Domkapitular Nikolaus Krasa, Dompfarrer Toni Faber, Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Altabt Christian Haidinger, Erster Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, Caritaspräsident Michael Landau, die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, der Klubobmann der ÖVP, Reinhold Lopatka, die Nationalratsabgeordneten Petra Bayr, entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, Tanja Windbüchler-Souschill, entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Christoph Vavrik, entwicklungspolitischer Sprecher der NEOS/LIF, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl sowie Amani Abuzahara, Vorstandsmitglied von „Junge Musliminnen Österreich“.
Gedenken an Sabine Oberhauser und Barbara Prammer
Kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner gedachte in ihrem Statement der kürzlich verstorbenen Frauen- und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, die als Gast beim Benefizsuppenessen im Dom erwartet worden wäre, sowie Barbara Prammer, die als seinerzeitige Nationalratspräsidentin 2014 gemeinsam mit der kfbö zum Benefizsuppenessen geladen hatte, im gleichen Jahr dann – ebenso wie Oberhauser – einem Krebsleiden erlag: „Viel zu früh sind diese beiden Frauen von uns gegangen“, so Pernsteiner, „ihr herausragender Einsatz für die Rechte und Anliegen von Frauen ist uns Vermächtnis und Auftrag.“
Unfertiger, geliebter Stephansdom
Hauptgewinn bei der Tombola war eine Führung durch den Stephansdom für 12 Personen mit Annemarie Fenzl, der langjährigen ehemaligen Leiterin des Wiener Diözesanarchivs und Büroleiterin des ehemaligen Erzbischofs von Wien, Kardinal Franz König. Fenzl unternahm in einem Statement einen kurzen Gang durch die Geschichte des Doms, den sie „einem Menschen ähnlich“ nannte: „Immer unfertig, immer wieder krank und behandlungsbedürftig“, durch die Jahrhunderte, vor allem nach der Brandkatastrophe im April 1945, immer wieder gerettet durch die „Liebe der Menschen in dieser Stadt und diesem Land“.
Die Suppen stellte heuer die Wiener Tourismusschule „Modul“ bereit, die Zutaten der niederösterreichische Biohof Adamah, zahlreiche Schülerinnen und Schüler des „Modul“ bestritten das Service. „Saxolady“ Daniela Krammer hat das Event musikalisch umrahmt.