Die Wunden heilen: Das Frauenprojekt CASS
Diese natürlichen Ressourcen sichern aber nicht nur die Lebensmittelversorgung in der Region, sie bilden auch die Grundlage der kulturellen Traditionen und Heilpraktiken der hier lebenden Adivasi-Gemeinschaften – der indigenen Bevölkerung Indiens.
„Ohne Land gibt es keine Landwirtschaft, ohne Wälder kann die Ernährung nicht gesichert werden, ohne Wasser ist Leben unmöglich – ohne eine intakte Umwelt sind die Menschen hier wie Fische ohne Wasser“
Schwester Bina Stanis
Schwester Bina Stanis leitet die Organisation CASS – eine Projektpartnerin der Katholischen Frauenbewegung. CASS, was übersetzt soviel wie „Landwirtschaft“ bedeutet, wurde 1981 auf Initiative des Ordens der Missionsärztlichen Schwestern und lokaler Aktivist*innen gegründet – ursprünglich mit dem Ziel, Gesundheitsdienste anzubieten. Mittlerweile will CASS die Ursachen des Problems an den Wurzeln packen und hat eine politischere Richtung eingeschlagen. Sie setzten sich heute neben der medizinischen Arbeit vor allem für die Rechte der Bevölkerung auf ihre natürlichen Ressourcen ein.
In den Dorfgemeinschaften von Hazaribagh hat der Bergbau tiefe Wunden hinterlassen – vor allem die Frauen sind betroffen. Denn sie sind in ihren Familien für die Ernährung verantwortlich und damit die ersten, die Opfer bringen müssen, um die nötigsten Dinge des täglichen Lebens zu beschaffen. Weil die Erträge des eigenen Ackers oft nicht mehr ausreichen, haben viele Frauen begonnen, sich als Tagelöhnerinnen auf Baustellen und in Kohlegruben zu verdingen. Daneben leisten sie weiter ihre Aufgaben im Haushalt, in der Pflege und Sorgearbeit und der familiären Landwirtschaft. Die Frauen stehen unter ständigem Druck; dementsprechend haben stressbedingte Erkrankungen, Alkoholismus und psychische Leiden in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.
CASS hat rund 40 Selbsthilfegruppen für Frauen und 3 Gesundheitszentren aufgebaut, um die Menschen in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. In der Gesundheitsarbeit von CASS geht es aber um weit mehr, als die richtige medizinische Behandlung. Denn Gesundheit ist in ihrem Verständnis eben nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. In diesem Sinne zielen die Gesundheitszentren und Selbsthilfegruppen auf eine umfassende Heilung der verwundeten Dorfgemeinschaften. Sie sind Orte der Gemeinschaft, an denen Dorfbewohner*innen zur Ruhe kommen, eine Pause von ihrem stressigen Alltag nehmen, sich über Probleme austauschen und gemeinsam Strategien entwickeln. Sie sind auch Orte des Lernens, die Informationen zur Gesundheitsvorsorge bieten, aber auch über die Hintergründe und Konsequenzen des Bergbaus aufklären. Und sie sind Orte der Stärkung, in denen Frauen an Selbstbewusstsein gewinnen, ihre Rechte kennenlernen und so den Kreislauf des Schweigens und der Unterordnung durchbrechen. Besonders wichtig ist dabei, den Stolz auf die eigene Identität als Indigene und Frauen wiederzugewinnen. Jahrelang haben die Adivasi-Frauen nur gehört, dass ihr eigenes Wissen, ihre Anbaumethoden und kulturellen Praktiken unnütz seien und schuld an ihrer schwierigen Lage. Dabei könnte die indische Mehrheitsgesellschaft viel von diesen Traditionen lernen.
„Die bescheidene Lebensart der Adivasi, ihre bedingungslose Liebe zu den Kindern und die Solidarität mit ihren Mitmenschen stehen in Kontrast zur westlichen, modernen Welt“
Bina Stanis
Die Adivasi haben über Generationen hoch effektive Systeme und Techniken entwickelt, um die Grundbedürfnisse des Lebens gut und ökologisch nachhaltig sicherzustellen. Das gilt besonders für die Landwirtschaft, die für CASS ein Schlüsselelement im Aufbau selbstbestimmter, lebensbejahender Gemeinschaften ist: Sie macht die Menschen unabhängig von der belastenden Arbeit im Bergbau.
„Die Lebensmittel selbst auf den eigenen Feldern zu ziehen ist eine Quelle von Sicherheit, Freiheit und Stärke“
Bina Stanis
Zum anderen fließen hier die traditionellen Tätigkeitsbereiche von Frauen und Männern zusammen – „Landwirtschaft ist Teamwork“: Die Arbeit auf dem Feld funktioniert nur, wenn alle gemeinsam anpacken, sich unterstützen und zusammenhalten. Sie ist die wichtigste Lebensgrundlage der Familien und damit auch die Basis für eine Veränderung der Geschlechterverhältnisse: Sie ist der Bereich, in dem die Familien zu einer gerechten Aufgabenteilung und zu Beziehungen auf Augenhöhe gelangen können. CASS hat daher begonnen, das alte Wissen auszugraben und traditionelle Anbaumethoden wiederzubeleben. Multiplikator*innen erlernen die Produktion von natürlichem Dünger und Saatgut und gemeinsam errichten die Dorfbewohner*innen traditionelle Steindämme zum Schutz vor Bodenerosion und zur Bewässerung ihrer Felder. Angeregt von diesen Initiativen haben mittlerweile zahlreiche Familien kleine Küchengärten angelegt und konnten damit ihre Ernährungs- und Gesundheitssituation erheblich verbessern.
CASS begann ihre Arbeit1981. Seit 2013 besteht die Zusammenarbeit mit der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. In 39 Selbsthilfegruppen konnten rund 1500 Frauen aus den Dörfern gemeinsam Schritt für Schritt ihre Lebens- und Gesundheitssituation verbessern. Sie haben ihre Häuser repariert und dafür gesorgt, dass ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen.
Auch in den nächsten Jahren soll es weiterhin darum gehen, nachhaltige Überlebensmöglichkeiten für indigene Familien zu schaffen.
Hilf auch du mit!
- Mit 20 Euro ermöglichst du 5 Frauen Küchengärten anzulegen
- Mit 40 Euro können 10 Frauen einen Tag lang ein Gesundheitsseminar besuchen.
- Mit 100 Euro finanzierst du ein 2-tägiges Training für biologische Landwirtschaft.