Vereint zum Schutz der indigenen Gemeinschaft: Das Frauenprojekt B.I.R.S.A.
Dieser Wandel begann vor rund 6 Jahren, als kaum einen Kilometer von Santis Dorf ein Bergbauprojekt zum Abbau von Eisenerz eröffnet werden sollte. Das Abbaugebiet befand sich inmitten einer vielfältigen Naturlandschaft und hätte vor allem den örtlichen Fluss, der die wichtigste Lebensader der umliegenden Dörfer bildet, dauerhaft zerstört. Daher organisierten Santi und weitere Dorfbewohner*innen Widerstand, hielten Versammlungen ab, organisierten Blockaden. Durch hartnäckigen Einsatz und Zusammenhalt gelang es schließlich tatsächlich, das Projekt zu verhindern.
Geschichten wie diese gibt es viele in den Blocks Noamundi und Jagannathpur an der südlichen Grenze Jharkhands. Bereits um 1920 hat die erste Eisenmine in der Gegend eröffnet; seit zur Jahrtausendwende die gesetzlichen Regulierungen gelockert wurden und die internationalen Rohstoffpreise angezogen haben, greift der Bergbau immer weiter um sich – mit fatalen Folgen für Mensch und Umwelt. Zum einen werden Familien direkt umgesiedelt oder vertrieben, um Platz für die Minen zu schaffen. Zum anderen zerstört der Tagebau Land, Wälder und Gewässer und damit die Lebensgrundlagen der ansässigen Dorfgemeinschaften, die auf eine intakte Umwelt angewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund wurde 1990 das „Bindrai Institute for Research and Study“ (BIRSA) gegründet, mit dem Ziel, sich der Unterdrückung der Adivasi und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in Jharkhand entgegenzustellen. Die 55-jährige Ajitha George ist die Generalsekretärin der kfb-Partnerinnenorganisation. Sie wuchs in einer gut situierten, gebildeten Familie in Kerala im Süden Indiens auf. Als sie Anfang der 1990er Jahre nach Jharkhand kam war sie beeindruckt, nicht nur vom Widerstandsgeist und Zusammenhalt der Menschen, sondern auch von der Kultur der Adivasi: „Eigentlich ist die Art und Weise, wie die Adivasi in Gemeinschaft miteinander und mit der Natur leben, der städtischen, ‚gebildeten‘ Kultur, in der ich aufgewachsen bin, deutlich überlegen“. Allerdings sei diese Denk- und Lebensweise heute bedroht von den Profitinteressen der Bergbauindustrie und einer aggressiven Mehrheitskultur, in der die Adivasi nur als Hindernisse auf dem Weg zu nationalem Fortschritt gelten.
„Mein Bestreben war und ist, den Dorfbewohner*innen verständlich zu machen, was um sie herum passiert und die Kräfte zu erkennen, die versuchen ihnen ihr Land, ihre Wälder und andere Ressourcen wegzunehmen“ - Ajitha George - Generalsekretärin von B.I.R.S.A
Zu diesem Zweck reaktiviert und unterstützt BIRSA die sogenannten Gram Sabhas, die traditionellen Dorfräte. Diese verfügen in der indischen Verfassung über umfangreiche Rechte und wurden so zu wichtigen Knotenpunkten im Widerstand gegen den Bergbau. Zudem hat die Organisation über 30 Frauenkomitees und knapp 10 Mädchengruppen aufgebaut. Sie bilden Basis und Herzstück des Projekts. Hier tauschen sich die Frauen aus, diskutieren über ihre alltäglichen Probleme und entwickeln gemeinsam Lösungsstrategien. So bleibt die Organisation unmittelbar an die Bedürfnisse und Anliegen der Dorfbewohner*innen angebunden: Bei BIRSA werden alle wichtigen Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen und fast alle Mitarbeiterinnen stammen selbst aus den Frauenkomitees. Durch die regelmäßigen Treffen gewinnen die Teilnehmerinnen an Stärke und Selbstbewusstsein, sie besuchen Schulungen zu ihren Rechten und politischen Hintergründen und reifen so zu lokalen Führungspersonen, die sich aktiv in die Dorfgemeinschaft einbringen und entschlossen für ihre Anliegen als Adivasi und als Frauen eintreten.
Neben dieser politischen Arbeit treibt BIRSA den Aufbau eigenständiger Lebensgrundlagen in den Dörfern voran. Denn durch die Zerstörungen der Bergbauindustrie, aber auch den fortschreitenden Klimawandel sind die traditionellen Strukturen zur Ernährung und Gesundheitsversorgung zunehmend aus der Balance geraten. Und von einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur – etwa im Gesundheitsbereich – ist das Gebiet weit entfernt. Die meisten Dorfbewohner*innen leben von ihrem eigenen kleinen Acker und dem, was die Wälder und Flüsse der Umgebung hergeben. Mit dem Verlust von Land und der fortschreitenden Verschmutzung und Zerstörung der natürlichen Umwelt, ist die Selbstversorgung mit Lebensmitteln aber immer schwieriger geworden. Zugleich lockt die Agrarindustrie mit hybridem Saatgut, Düngemitteln und Unkrautvernichtungsmitteln – Technologien, die zwar rasche Produktionssteigerungen und Einnahmen versprechen, die Menschen aber zugleich in die Abhängigkeit von Marktpreisen und Agrarkonzernen treiben und die Böden langfristig zerstören. Demgegenüber stärkt BIRSA die traditionellen und lokal angepassten Anbauformen und ergänzt diese behutsam mit neueren Technologien, um gegen sich ändernde Bedingungen gewappnet zu sein. Neben landwirtschaftlichen Trainings werden etwa Modellfarmen und Tauschbörsen für natürliches Saatgut aufgebaut – Saatgut, das von den Menschen selbständig vermehrt werden kann und somit eine wichtige Basis für ein unabhängiges Ernährungssystem bildet.
Die Umweltzerstörung hat auch zu gesundheitlichen Problemen, etwa Malaria, Anämie, Durchfallerkrankungen und einem Anstieg der Kinder- und Müttersterblichkeit geführt. BIRSA tritt dem mit eigenen Gesundheitszentren entgegen, in denen die traditionelle Adivasi-Medizin wiederbelebt und gestärkt wird. Lokal verankerte Gesundheitsarbeiter*innen klären in den Dörfern präventiv über Risiken auf, behandeln Erkrankte und produzieren pflanzliche Arzneimittel aus den Kräutern der umliegenden Wälder. Eine dieser Gesundheitsarbeiterinnen ist die 32-jährige Raimuni Boipai. Sie nahm bereits als Mädchen an einem Medizintraining von BIRSA teil und entdeckte rasch ihre Leidenschaft für diese Arbeit. Heute ist sie eine erfahrene Hebamme, die in den letzten Jahren rund 150 Geburten erfolgreich begleitet hat. Die ganzheitliche Gesundheitsversorgung von BIRSA zeigt beeindruckende Resultate. So konnte die Malaria mittlerweile erheblich zurückgedrängt werden und die Anämieerkrankungen unter Frauen sanken von 48,5 % auf 8,8 %.
Im Rückblick ist Ajitha glücklich über all die Früchte ihrer Arbeit, doch sie bleibt wachsam. Der Zusammenhalt und Einsatz der Bewohner*innen ist nötiger denn je, um das dörfliche Leben gegen den ungebrochenen Rohstoffhunger der Bergbauindustrie zu verteidigen:
„Die Samen, die wir gemeinsam gesät haben sind zu Pflanzen gewachsen, aber sie brauchen noch Zeit und viel Nahrung, um zu starken Bäumen zu werden“.
Auch in den nächsten Jahren soll es weiterhin darum gehen, nachhaltige Überlebensmöglichkeiten für indigene Familien zu schaffen.
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