Frauen erzählen ihre Geschichte
Sie sind Autorin, Gründerin des Filmemacherinnen-Kollektivs „Colectiva Lemow“ und Produzentin. Sie setzen sich als indigene
Frau für indigene Frauen ein?
Ja, seit 2002 produziere ich Filme und arbeite mit indigenen Frauen,
weil sie es in der Gesellschaft Guatemalas schwer haben – sie sind nicht gleichberechtigt und erfahren Rassismus. Aus diesem Grund habe ich auch das „Colectiva Lemow“ gegründet. Mit unseren Filmen wollen wir indigene Völker unterstützen. Filme zu produzieren hat mir die Augen dafür geöffnet, wie viele verschiedene Lebenswelten es in Guatemala gibt. Diese Vielfalt will ich vermitteln.
Der Film über AMOIXQUIC wird aus der Eigenperspektive erzählt. Warum?
Filme, in denen Indigene nicht nur zu Wort kommen, sondern das
Drehbuch bestimmen, zeigen die Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive und enthalten eine „innere Wahrheit“. Oft werden Künstler*innen aus dem Ausland eingeladen, um Filme über Guatemala zu drehen. Die Geschichte selbst zu erzählen, ermächtigt die Menschen aber. Mit solchen Filmen kann ich auch etwas an die Gemeinschaft zurückgeben.
Wie ist der Film entstanden? War etwas vorgegeben?
Es war ein Pilotprojekt, in dem wir den Frauen von AMOIXQUIC in Workshops das Rüstzeug vermittelt haben, das sie für einen Filmdreh benötigen. Sie haben gelernt,wie man mit Fotos, Bildern und Geräuschen erzählen kann. Gemeinsam haben wir überlegt, was wir alles zeigen wollen. Denn: AMOIXQUIC hat gleichzeitig eine sehr alte und eine sehr junge Seele – ist also weise und dynamisch zugleich. Die Frauen haben vor der Kamera miteinander über das überlieferte Wissen und die Neuerungen gesprochen. Oft haben sie beim Dreh selbst Vorschläge eingebracht. Alle waren mit großem Eifer dabei! Ich achtete eher auf die technischen Aspekte.
Wie wählt man aus all dem Material aus, was in den Film kommt?
Während des Drehs schreibe ich mir den einen oder anderen Sager gleich auf, weil ich ihn so passend finde. Eine ältere Frau hat zum Beispiel eine sehr schöne Zusammenfassung gegeben:
„AMOIXQUIC hat in mir einen Samen gepflanzt, und deshalb möchte ich bei dem Projekt bleiben, bis ich sterbe.“
Der Rest ergibt sich beim Sichten und Schneiden des Materials.
Was haben die Frauen, was haben Sie selbst aus dem Projekt mitnehmen können?
Mir war wichtig, dass die Teilnehmerinnen das Erlernte auch im Alltag einsetzen können. Mit ihrem neuen Wissen zur Fotografie können sie Bilder vom Gemüse, den Seifen und so weiter machen, die sie verkaufen wollen. Sie könnten auch Rezepte für natürliche Heilmittel als MP3 am Handy festhalten, um sie so weitergeben zu können – hilfreich, da es viele Analphabet*innen unter den Indigenen gibt. Für mich selbst habe ich gelernt, dass man manchmal gewisse Pläne je nach Gegebenheiten spontan über Bord werfen muss. Wir müssen vorgegebene Strukturen auch dekolonialisieren, also verinnerlichte Erwartungshaltungen aufbrechen und verändern.
© Christine Buchinger. Der Text ist dem Familienfasttagsmagazin 1/2021 entnommen.