Unsere Partnerinnen im Einsatz für faire Care-Arbeit
Inorisa „Norie“ Sialana, die Geschäftsführerin des Mindanao Migrants Center war gerade auf dem Weg nach Hause, als sie einen siebenjährigen Buben weinend auf sich zulaufen sah. Er konnte seinen kleinen Bruder nicht finden. Sofort setzte sie alle Hebel in Bewegung, und nach ein paar Tagen fand man das Kind auf einem Markt, wo er allein auf sich gestellt versuchte Plastiktüten zu verkaufen.
Die Geschichte eines Teufelskreises
Es ist eine Geschichte, wie sie Norie in ihrer Arbeit oft zu hören bekommt. Die Mutter dieser beiden Buben musste, verlassen von ihrem untreuen, missbrauchenden Ehemann, im verzweifelten Bemühen, den Lebensunterhalt ihrer Kinder zu sichern, im Ausland Arbeit suchen. Jedes Monat schickte sie Geld nach Hause, damit ihre Kinder von Freunden und Nachbarn betreut wurden. Doch im saudi-arabischen Riad erging es ihr schlecht. Sie wurde geschlagen, lief weg, wechselte häufig den Arbeitgeber, bis sie schließlich als Diebin beschuldigt im örtlichen Gefängnis landete. Währenddessen setzte man ihre beiden Kinder auf die Straße, weil sie die monatlichen Zahlungen nicht mehr leisten konnte. Das Mindanao Migrants Center konnte die Mutter zurückholen. Doch jetzt ist sie mittellos und ihre Kinder sind traumatisiert.
Das größte Problem ist die illegale Migration
„Je ärmer die Menschen sind, desto leichter fallen sie auf illegale Anwerbung herein und landen im Menschenhandel“, erzählt Geschäftsführerin Norie. Schließlich ist auf den Philippinen „Humankapital“ das wichtigste Exportgut. Laut nationaler Statistikbehörde waren im Jahr 2018 ganze 2,3 Millionen Phlippiner:innen als „Overseas Filipino Workers“ (OFWs) tätig, mehr als die Hälfte davon Frauen. Die Arbeitsmigration wird von der Regierung gefördert und die Migrant:innen als Held:innen gefeiert, denn die hohen Rücküberweisungen machen mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, und der Staat verdient mit notwendigen Gebühren und bürokratischen Hürden gut am Arbeitskräfteexport. Schätzungen zufolge kommt nochmals eine ähnlich hohe Summe an Waren und Bargeld auf informellen Kanälen ins Land. Das verbessert die Zahlungsbilanz des Staates, hat aber auch seinen Preis – der vor allem die zurückgelassenen Kinder, Jugendlichen, Kranken und Alten gezahlt werden muss.
Wie hilft das Mindanao Migrants Center?
Das „Mindanao Migrants Center for Empowering Actions, Inc.“ (oder MMCEAI) wurde 2007 in Davao City auf der Insel Mindanao als gemeinnütziger Verein für aktive und zurückgekehrte philippinische Arbeitsmigrantinnen und ihre Familien gegründet und betreibt sechs regionale Beratungsstellen („Community Migrants Associations“ oder CMAs).
Das Mindanao Migrants Center unterstützt Menschen vor, während und nach ihrer Zeit als Wanderarbeiter:innen, vermitttelt sie, wenn nötig, weiter zu Sozialarbeiter:innen, Rechtsanwält:innen oder Psycholog:innen und kümmert sich um deren in der Heimat zurückgelassenen Kinder.
Zweimal wöchentlich finden an den sogenannten „Community Migrant Desks“ in den Gemeinden, Beratunten durch Freiwilligenarbeiter:innen statt. Sie werden vom „Mindanao Migrants Center“ geschult, um den Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können. Ihre Hauptaufgabe ist es, Menschen auch über die Vor- und Nachteile sowie die möglichen Folgen einer Arbeitsmigration zu informieren, bevor sie sich dafür entscheiden. „Im Ausland bekommt eine Haushaltshilfe rund 22.000 Philippinische Peso (umgerechnet rund 375 Euro), auf den Philippinen um die Hälfte weniger“, erzählt die kfbö-Projektreferentin Bettina Zelenak. „Aber: Sie sehen ihre Familien nicht. Zahlt sich das aus?“ Treffen sie die Entscheidung zu migrieren, werden sie mit Informationen ausgestattet sowie an lizenzierte Agenturen weitergeleitet, damit sie nicht an illegale Arbeitsvermittler gelangen.
Gibt es eine Alternative zur Arbeitsmigration?
Laut verschiedener Erhebungen würden die meisten OWS lieber in ihrer Heimat abeiten. Denn die Nachteile – weit weg von ihren Familien leben zu müssen und in großem Ausmaß von körperlicher oder sexualisierter Gewalt bedroht zu sein – sind schwer zu ertragen. Deshalb besteht ein Teil der Bestrebungen des „Mindanao Migrants Centers“ auch darin, mit staatlichen Einrichtungen darauf hinzuarbeiten, „allen Menschen wirtschaftliche Chancen zu bieten und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sodass die Menschen im Land bleiben können“, sagt Geschäftsführerin Norie. Nur, wenn Migration eine mögliche, aber nicht die einzige Option ist, wird Arbeitsmigration eine faire und sichere Art werden, den Lebensunterhalt zu sichern.
MMCEAI-Vorsitzende Cecile Reloba (links) und Geschäftsführerin Inorisa Sialana.
MMCEAI arbeitet mit den zurückgekehrten Migrant:innen in Mindanao. Die Initiative, eine NGO zur Migrationsthematik zu gründen, basierte auf den Ergebnissen einer Studie und stammt von einer Gruppe von Frauenrechtsaktivistinnen, Rechtsanwält:innen, Akademiker:innen, Mitarbeiter:innen aus der örtlichen Stadtverwaltung, ehemaligen Auslandsmigrant:innen und Angehörigen von Migrant:innen in Not.
Cecile, ehemalige Care-Arbeiterin, engagiert sich nunmehr als Kassenwärterin der „Community Migrant Association“ in Bucana.
Spende jetzt und unterstütze MMCEAI in ihrer Arbeit